Prof. Dr. Gert Krischak eröffnete am 06. Oktober 2017 die zweite Veranstaltung der Symposium Reihe FOCUS Rehabilitation mit dem Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) im Rittersaal der Villa Eberhardt in Ulm. Zu Gast waren Interessierte aus Kliniken, der Leistungsträger, der Wissenschaft, verschiedenen Verbänden und Arbeitgebern.
Herr Ulrich Hartschuh (Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) warf eine rechtliche Brille auf das Thema Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) und zeigte neben den Chancen auch die Unübersichtlichkeiten auf. Einerseits zeigt die Wissenschaft, dass die Planung und Steuerung von betrieblichen Gesundheitsförderungsaktivitäten, inklusive Beteiligung aller Funktions- und Entscheidungsträger, ein wesentliches Merkmal guter Praxis darstellt. Andererseits scheint es für Klein- und Kleinstunternehmen, wie den örtlichen Stuckateurbetrieb mit 5-7 Mitarbeitern, unmöglich zu sein, dieses Kriterium zu erfüllen. Hier wäre das Motto „weniger ist mehr“ gewinnbringender. Das heißt es gibt weder DEN BGF-Begriff noch DAS BGF-Konzept.
Auch Christian Konrad (AOK Baden-Württemberg) betonte, dass der Begriff des Managements für Klein- und Kleinstunternehmen abschreckend wirkt. Er sieht Leistungen des BGF vielmehr als Prozess, bei dem Netzwerke und insbesondere der Austausch erstrebenswert sind und daher gefördert werden sollten. Als Good-Practice-Beispiel zeigte sich das Konzept der „Betriebsnachbarschaft“. Betriebe schließen sich zusammen, um gemeinsam BGF-Maßnahmen zu organisieren und nutzen gegenseitig vorhandene Ressourcen und Erfahrungen. Weitere Unterstützung bieten die BGF-Koordinierungsstellen, von denen sich Betriebe individuell beraten lassen können.
Über die konkrete Umsetzung von BGF im Alltag und deren Stolpersteine berichtete Frau Karoline Bauer (Arbeitgeber Baden-Württemberg). Sie erläuterte den langen Weg vom ersten Anstoß, meist durch den Personalbereich, über die Überzeugung der Führungskräfte mit harten Fakten, hin zur Definition von Verantwortlichkeiten und Zielen. Ihr Plädoyer lautet: „Unternehmen nicht mit Begrifflichkeiten und Strukturen überfordern.“ Somit sind es die kleinen Schritte bis zum Ziel.
Herr Dr. Harald Knyrim (Federseeklinik, Bad Buchau) ermahnte, dass beide Pfade, sowohl die Verhaltens- als auch die Verhältnisprävention beschritten werden müssen. Dabei ist es erforderlich nicht nur den Mikrokosmos, bestehend aus den einzelnen Aspekten der Gesundheit (Ernährung, Bewegung oder psychosoziale Themen), getrennt zu betrachten, sondern diese miteinander in Verbindung zu bringen und gemeinsam aufzugreifen. Es gilt für ein Unternehmen, aber auch für jeden Einzelnen: zum Erhalt der Gesundheit müssen tägliche Investitionen, auch wenn es „nur“ Zeit ist, getätigt werden. Maßnahmen des BGF schaffen eine wichtige Grundlage, allerdings ist ein langer Atem gefordert, denn BGM ist Evolution und nicht Revolution. Jeder Anfang ist zäh, aber durch Ausdauer können erfolgreiche Strategien etabliert werden.
Dr. Werner Geigges (Rehaklinik Glotterbad) machte nach einer kleinen Pause den Einstieg zu den Best-Practice-Beispielen und stellte das Modell BalancePlus vor. Dabei handelt es sich um einen ausschließlich ressourcenorientierten Gruppenansatz auf Basis des Züricher Ressourcenmodells. Im Rahmen der Evaluation zeigten sich Verbesserungen in den Einschätzungen des Work Ability Index (WAI). Das Präventionsprogramm hat laut Herrn Dr. Geigges aber auch Stolpersteine. Dazu zählen das Akzeptanz-Problem und die Abbrecher. Das Stigma psychische Erkrankung ist weit verbreitet und führt dadurch zu einer teilweise ablehnenden Haltung gegenüber dem Programm. Laut Dr. Geigges wird deshalb kein „Seelenstriptease“ von den Teilnehmenden verlangt sondern ausschließlich über deren Ressourcen gesprochen.
Auch Betsi 2.0 integriert ressourcenorientierte Gruppenarbeit so Dieter Beh (Rehaklinik Überruh). Des Weiteren wurde Betsi um psychologische Diagnostik und Selbstreflexionsübungen ergänzt. Wie Selbstreflexion aussehen kann, konnten die Teilnehmenden des Symposiums selbst anhand einer Körperwahrnehmungsübung erfahren. Die Erkenntnis, dass Gesundheit nie allein vom Arbeitsplatz oder von der Familie oder vom Freizeitverhalten abhängt, sondern ein Zusammenspiel ist, sollte allen Betsi-Teilnehmern bewusst werden.
Frau Nicole Freidl (Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH) zeigte die vier Bausteine des BGM bei Liebherr-Hausgeräte. Dazu zählen die Basisangebote, die ein Bewusstsein für die eigene Gesundheit schaffen sollen. Weiterhin werden bedarfsbezogene Empfehlungen aus den betrieblichen Eingliederungsgesprächen ausgesprochen. Im Rahmen dessen findet für jede Führungskraft ein verpflichtendes Zwei-Tagesseminar statt. Im dritten Baustein wird jährlich wechselnd ein aktuelles Thema aufgegriffen. Im kommenden Jahr wird das Thema Herz-Kreislauf näher beleuchtet. Der letzte Baustein beinhaltet den Demografie-Aspekt, um ihre Mitarbeiter möglichst lange und gesund am Arbeitsplatz zu halten.
Allen Beiträgen gemein war die zentrale Rolle der Führungskräfte. Diese müssen geschult und überzeugt werden, um BGF oder BGM erfolgreich gestalten zu können.
Herr Prof. Dr. Gert Krischak dankte abschließend den Organisatoren, allen Referenten und Teilnehmenden für die wertvollen Impulse zum Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement und den regen Austausch im Rahmen des zweiten Symposiums FOCUS Rehabilitation.