Hintergrund:

Die Versorgung von psychisch bzw. psychosomatisch Erkrankten ist trotz mancher Anstrengungen in den letzten Jahren weiterhin verbesserungsbedürftig. Dies zeigt sich auch bei der Rehabilitation der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwischen der Erstmanifestation einer psychischen Erkrankung und der Inanspruchnahme einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme liegt oftmals ein Zeitraum von mehreren Jahren mit Folgen für den Einzelnen und die Gesellschaft.

Eine Barriere für die Inanspruchnahme einer medizinischen Rehabilitation liegt im derzeitigen Antragsverfahren der Rentenversicherungsträger. Während behandelnde Ärzte/innen z. B. eine Überweisung in eine Klinik über die Praxissoftware auf Knopfdruck ausstellen können, muss – wenn sie für die Patient/innen eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme für erforderlich halten – ein umfangreicher, schriftlicher Antrag gestellt werden. Oftmals sind sie dabei auf die Unterstützung weiterer behandelnder Ärzte/innen bzw. Psychotherapeut/innen angewiesen, die weitere Formulare und Befundberichte beisteuern müssen. Diesen hohen bürokratischen Aufwand und im Falle der Ablehnung ein Konflikt mit den Patient/innen, halten viele behandelnde Ärzte/innen bzw. Psychotherapeut/innen davon ab, eine Rehabilitationsmaßnahme zu empfehlen. Ferner gibt es auch hartnäckige Missverständnisse, wie z. B., dass eine psychosomatische Rehabilitation generell erst nach einer Psychotherapie erfolgen könne.

Im Rahmen eines rehapro-Modellprojekts der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg soll daher ein niederschwelliger Zugang für die Betroffenen und ihre Behandler/innen (Hausärzte/innen und approbierte psychologische Psychotherapeut/innen) geschaffen werden. Analog zu einer Krankenhauseinweisung kann mit Zustimmung der Versicherten bei vorliegender Rehabilitationsbedürftigkeit eine Direktzuweisung in eine Rehabilitationseinrichtung vorgenommen werden. Die formale Antragsstellung entfällt und der Übergang von der ambulanten Versorgung in die Rehabilitation gestaltet sich schneller und unkomplizierter. Auch die Kommunikation zwischen Zuweisenden und Rehabilitationseinrichtung soll dadurch verbessert werden, ähnlich wie sich zuweisende Ärzte/innen und Krankenhäuser gegenseitig hinsichtlich Vorbefunden und Behandlungsempfehlungen informieren und abstimmen.

Projektziel:

Im Rahmen des rehapro-Modellprojekts der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg soll die Direktzuweisung als niederschwelliger Zugang zur psychosomatischen Rehabilitation geschaffen und durch das IFR Ulm evaluiert werden.

Methodisches Vorgehen:

Der neue Ansatz wird in Modellregionen (städtische und ländliche) und mit beteiligten Modellkliniken (2 teilstationäre, 3 stationäre Einrichtungen) erprobt. Vom IFR Ulm wird zunächst in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW), der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg, dem Hausärzteverband Baden-Württemberg sowie Ärzt/innen und Psychotherapeut/innen einschließlich Vertretern der Rehabilitationseinrichtungen eine Checkliste mit Kriterien zur Identifikation potentieller Teilnehmenden entwickelt. Nach einer Pilotphase sollen in der 24-monatigen Modellphase jeweils 300 Teilnehmende der Interventionsgruppe (IG; Direkteinweisung) und der Kontrollgruppe (KG; Einweisung nach Standardverfahren) rekrutiert werden, die eine Rehabilitationsmaßnahme durchlaufen.

Die Rehabilitationseinrichtungen führen für beide Gruppen zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme (t0) eine erweiterte Aufnahmeuntersuchung durch (u. a. psychometrische Instrumente, Fragebögen, arbeitsplatzbezogene Anamnese, teilstrukturiertes Arztgespräch), durch das vor allem die Rehabilitationsbedürftigkeit, die Rehabilitationsfähigkeit und die Erwerbsprognose erfasst werden sollen. Zudem werden die Rehabilitanden beider Gruppen vor Beginn (t0), am Ende (t1) sowie 12 Monate nach Ende (t2) der Rehabilitation zu ihrem Gesundheitszustand, der Beschäftigungsfähigkeit sowie zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität befragt. Zu Rehabilitationsbeginn (t0) sollen die Behandler/innen der Rehabilitationseinrichtungen ebenfalls mittels Fragebogen zur Passgenauigkeit der Zuweisung befragt werden.

Projektverantwortliche:

Dr. R. Kaluscha (rainer.kaluscha@ifr-ulm.de)

Lisa Hertrich (lisa.hertrich@ifr-ulm.de)

Kooperationspartner:

DRV Baden-Württemberg

Deutscher Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg

Modell-Rehabilitationseinrichtungen

Förderung:

Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales – über die DRV BW.

Kontakt:
Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm

Geschäftsstelle
Am Kurpark 1
88422 Bad Buchau
Telefon: +49 7582-800 5300
Telefax: +49 7582-800 5301