Hintergrund:

Patienten mit chronischen Erkrankungen können auf Eigeninitiative eine Rehabilitationsmaßnahme beantragen. Die Antragstellung erfolgt in der Regel in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt. Seit langer Zeit sieht sich die Rehabilitation in Deutschland jedoch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass dieses Antragsverfahren zu aufwendig, zu bürokratisch und zu kompliziert sei. Zudem bieten die Antragsformulare wenig Raum für die Darstellung der individuellen Problemlage des Patienten. Auch die Vorstellungen und Erwartungen des niedergelassenen Arztes bezüglich der Rehabilitationsmaßnahme werden zu wenig einbezogen. Daher stehen die niedergelassenen Ärzte dem Antragsverfahren sowie der Rehabilitationsmaßnahme teilweise kritisch gegenüber.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die ungenügende Rückkopplung der Rehabilitationsergebnisse in den niedergelassenen ärztlichen Bereich. Diese findet in Form des Entlassungsberichtes statt, der aber nach Auffassung der niedergelassenen Ärzte zu lang und zu viele, für den niedergelassenen Arzt irrelevante Informationen enthält.

Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW) hat sich deshalb entschlossen, eine Weiterentwicklung des Rehabilitationsantrags in Angriff zu nehmen. Mit dem Modellprojekt KUR soll ein vereinfachtes und verschlanktes Antragsformular und ein stärker auf die individuellen Bedarfe des Patienten ausgerichteter Befundbericht entwickelt und erprobt werden. Die Zielgruppe sind dabei Versicherte der DRV BW im erwerbsfähigen Alter mit orthopädischen Erkrankungen (ICD-10: M00-M99), welche erstmalig eine Rehabilitation (Heilverfahren) beantragen. Zudem müssen diese nicht nur die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Rehabilitation erfüllen, sondern auch Rehabilitationsbedarf, Rehabilitationsfähigkeit sowie eine positive Rehabilitationsprognose aufweisen.

Projektziel:

Ziel des Modellprojekts „Kurzantrag Rehabilitation (KUR)“ ist die Entwicklung, Erprobung und Evaluation eines vereinfachten und inhaltlich überarbeiteten Antragsformulars und Befundbogens.

Die Inhalte sollen stärker an den Vorstellungen und Erwartungen der Patienten sowie der betreuenden Hausärzte ausgerichtet werden, indem diese gemeinsam Rehabilitationsziele sowie Wünsche bzgl. therapeutischer Schwerpunkte während der Rehabilitation festlegen und im Kurzantrag für den Reha-Arzt dokumentieren. Hierdurch soll für den Hausarzt die Möglichkeit geschaffen werden, den Rehabilitationsprozess aktiv zu steuern und so die rehabilitative Maßnahme besser in die hausärztliche Behandlung zu integrieren. Damit soll die Akzeptanz von Rehabilitationsmaßnahmen und die Inanspruchnahme gestärkt werden.

Zudem soll ein strukturierter Austausch über den Erreichungsgrad der Rehabilitationsziele und die Nachsorgeempfehlungen implementiert werden. Die Studie soll erste Erkenntnisse zur Praktikabilität und Akzeptanz des neu entwickelten Kurzantragsverfahrens sowie der Veränderungen beim Entlassungsbericht liefern.

Methodisches Vorgehen:

Die formative Evaluation erfolgt mittels Befragung von Rehabilitanden und den am Antragsverfahren beteiligten Akteuren (niedergelassenen Ärzte und medizinische Fachangestellte, Sachbearbeitung und sozialmedizinischer Dienst der DRV BW, Ärzte und Therapeuten in Rehabilitationskliniken).

In die quantitative Datenerhebung (Fragebogen) werden 300 Patienten, bei denen der Zugang zur Rehabilitation mittels Kurzantrag erfolgt (Interventionsgruppe) sowie 300 Patienten, bei denen der Zugang zur Rehabilitation mittels bisherigen Standard-Antrag erfolgt (Kontrollgruppe), eingeschlossen. Dabei werden sowohl soziodemografische Merkmale, der Gesundheitszustand sowie die berufliche Leistungsfähigkeit und Erwerbsprognose als auch die subjektive Einschätzung der Partizipation und Kommunikation während der Arzt-Patient-Interaktion und des Antragsverfahrens erhoben. Zusätzlich werden jeweils neun Patienten der Interventions- und Kontrollgruppe mittels leitfadengestützter Telefoninterviews detailliert zu den individuellen Erfahrungen während des Antragsprozesses befragt.

Im Rahmen von qualitativen Datenerhebungen (Interviews, Fokusgruppen) mit den Prozessbeteiligten werden sowohl die individuellen Einschätzungen des Standard- und KUR-Antragsverfahrens als auch die wahrgenommenen Verbesserungsbedarfe sowie die Akzeptanz und Praktikabilität erhoben.

Darüber hinaus soll eine Prozessanalyse des alten und des neuen Antragsverfahren anhand von prozessrelevanten Daten der DRV BW durchgeführt werden.

Projektverantwortliche:

Dr. R. Kaluscha (rainer.kaluscha@ifr-ulm.de)

Dr. biol. hum. S. Jankowiak (silke.jankowiak@ifr-ulm.de)

Kooperationspartner

DRV Baden-Württemberg

Deutscher Hausärzteverband, Landesverband Baden-Württemberg e. V.

Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg

Rehabilitationseinrichtungen (Birkle-Klinik in Überlingen, Rheintalklinik in Bad Krozingen, Klinik Überruh in Isny)

Förderung:

Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – rehapro“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.

Kontakt:
Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm

Geschäftsstelle
Am Kurpark 1
88422 Bad Buchau
Telefon: +49 7582-800 5300
Telefax: +49 7582-800 5301